Handel

Das Zeitalter des Neolithikums war die Epoche eines großen Durchbruchs in der Geschichte der Entwicklung der Menschheit. Dies war die Zeit als der Mensch sich von der Natur unabhängig machte (im Sinne der Veränderung der Lebensweise, genauer gesagt die Herstellung von eigener Nahrung). Sein Leben war nicht mehr geprägt durch das ständige Anpassen an die natürliche Umwelt, sondern im Gegenteil, durch die Anpassung der Natur an die eigenen Bedürfnisse. Nun musste der Mensch nicht mehr Hunderte von Kilometern auf der Suche nach Nahrung zurücklegen; dank seiner angeborenen Schläue bezwang er Stück für Stück Mutter Natur. Er begann Pflanzen und Getreide anzubauen sowie Tiere zu halten. Es ist anzumerken, dass dies keine plötzliche Veränderung war, die von einem Tag auf den anderen den mobilen Fallensteller in einen sesshaften Bauern verwandelte. Der Prozess dieser Veränderungen verlief wohl während des Lebens von viele Generationen. Die neue Lebensform verbreitete währenddessen sich Stück für Stück auf der Erde.

Die Idee der produzierenden Wirtschaft entstand im Zentrum des Nahen Ostens, wanderte im Laufe von knapp tausend Jahren in das europäische Gebiet ein und ersetzte (verdrängte) schrittweise die örtlichen Jäger-und-Sammler – Gewohnheiten.

Die Bändigung der Natur und das daraus resultierende sesshafte Leben, das von nun an bevorzugt wurde, waren das Resultat einer bedeutenden Technologieentwicklung und verursachten wiederum ihrerseits eine solche. Schon vor 6000 Jahren begann der Mensch im großen Stil natürliche Rohstoffe, unter anderem Feuerstein und Obsidian, abzubauen, aus denen er dann mehrerlei Werkzeuge herstellte. Nicht mehr wandern müssend, verwandte er nun seine freie Zeit darauf, neue Werkzeuge zu entwickeln und alte zu verbessern. Es entstanden auf diese Weise verhältnismäßig riesige Siedlungen und Niederlassungen wo in einzelnen Werkstätten entsprechend geformte Werkstücke zahlreiche Abnehmer fanden. Dies ist nur eines von stark vereinfachten Beispielen dafür, wie Überschüsse an hergestellten Gütern eine Entwicklung des "Tauschhandels" förderten.

Gegenwärtig bemühen sich die Archäologen auf Grundlage der materiellen Zeugnisse der vergangenen Tätigkeiten des Menschen wie zum Beispiel Stein-, Feuerstein- oder Kupferwerkzeugen aber auch Tongeschirr und -gefäßen, die Entwicklung des "Handels" in den Gesellschaften der einstigen Welt darzustellen.
Auf dem Gebiet Europas bildeten sich in der Steinzeit viele Kulturen heraus; nur wenige von ihnen machten jedoch bedeutende Fortschritte in der Ausbildung einer wirtschaftlich-kulturellen Sphäre. Eine von ihnen war die Trichterbecherkultur (im Folgenden TBK), die auf sichtbare Art und Weise viele Bereiche des täglichen Lebens der Jungsteinzeit verändert hat.

Auf dem Gebiet Mitteleuropas begann die Bevölkerung dieser Kultur vermutlich als erste die Entwicklung des Ackerbaus mit Werkzeugen, die Verwendung von Nutzvieh zum Transport in Verbindung mit dem Einsatz von zwei- oder dreirädrigen Fuhrwägen sowie die intensive Ausbeutung von Flintsteinvorkommen oder auch die Entwicklung des auf den Export von Flintsteinwerkzeugen und anderen Produkten des täglichen Gebrauchs, wie Fell, Haut und Wolle, gerichteten "Handels".

Die oben erwähnten Wirtschaftselemente der TBK (Handel, Intensivierung von Landbau und Viehhaltung, technologische Entwicklungen) ermöglichten ein demografisches Wachstum, das sich im gesamten Gebiet des Auftretens jener Kultur vor 4500 Jahren deutlich bemerkbar machte.

Dank den charakteristischen Eigenschaften der Materiale, aus denen bestimmte Güter hergestellt wurden, können wir heute mit großer Wahrscheinlichkeit bestimmen, woher deren Rohstoffe stammten, wie diese transportiert oder welche Gegenstände aus ihnen hergestellt wurden. Manchmal kann auch die charakteristische Herstellungstechnik oder nur die Form eines Gegenstandes uns einen Anhaltspunkt über die Entstehung ihres Bauplans und ihrer Verbreitung geben.

So können wir beispielsweise im archäologischen Material der Fundstelle in Gródek am Bug eine starke Auswirkung von kulturellen Verbindungen mit der Tätigkeit der Produktionsstelle in Ćmielów erkennen und weitere direkte interkulturelle Beziehungen mit der tripolnischen Kultur konstatieren.

Die Importe, die nur einen geringen Prozentsatz der Funde darstellten, waren ein Beweis dafür, dass die (einstigen) Tätigkeiten der TBK sich auf viele verschiedene Bereiche auswirkten. Das fehlende Vorhandensein eines unerreichbaren, nicht täglich zugänglichen Gegenstandes verursachte die Herstellung von Kopien aus örtlich verfügbaren Rohstoffen. Ein Beispiel hierfür können knöcherne Nachahmungen von kupfernen Meißeln oder Stemmeisen darstellen. Dies ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie die menschliche Psyche und der ihr zugrunde liegende "Neid", bzw. der Wunsch, bestimmte neue Gegenstände zu besitzen, sich schon vor 5000 Jahren stimulierend auf die Entwicklung des "Handels" und der Handwerkskunst ausgewirkt haben. Es gilt jedoch zu beachten, dass die Bevölkerung der TBK nicht komplett fremde Kultur- und Technologieerzeugnisse übernommen hat; sie nutze lediglich einige Elemente. Manche der kulturell - technologischen Fähigkeiten gestalteten sich langsam um und neue Erfindungen gingen in den Alltag ein, was mehrheitlich zu gewissen Veränderungen der evolutionären Bahnen führte.

Ton- und Keramikgeschirr, besonders jedoch die Technik ihrer Herstellung, ist ein ungemein interessanter Forschungsgegenstand, der sich gleichzeitig mit dem Problem der Entwicklung eines ersten "Handels" und dessen Einfluss auf die Bevölkerung der TBK verbindet. Das hohe technische Niveau der hergestellten Einzelteile steht nicht zur Debatte, dennoch liegt eine Kardinalfrage nahe – wie waren diese Menschen in der Lage, eine so ausgefeilte Technologie zu beherrschen? Die "try-and-error"- Methode entwickelte sich in der TBK-Gruppe in Kleinpolen, könnte jedoch auch von östlichen Nachbarn abgeschaut worden sein. Auf diese Frage werden wir wohl niemals eine ganz sichere Antwort finden. Wir können jedoch vermuten, dass eine Auswirkung der Handelskontakte mit der tripolnischen Bevölkerung die Vervollkommnung der örtlichen Herstellungstechnik war. Für diese Annahme spricht der Fund einiger kunstvoller tripolnischer Keramikfragmente in der Ansiedlung in Gródek am Bug. Anzumerken ist, dass die tripolnische Technik wahrscheinlich in Teilen ein Vorbild zur Nachahmung durch die Bevölkerung der TBK war und somit einen Impuls für die örtlichen Hersteller darstellte, was als Beweis für die Qualität der tripolnischen Produkte gedeutet werden kann. Diese Bevölkerung war, wie wir uns schon überzeugen konnten, kein Volk von Imitatoren im wörtlichen Sinne, sondern stellt auch auf ihrer eigene Art Waren her und passte die alten bewährten Werkzeugmuster neuen Gegebenheiten an. Stellte die Trichterbecherkultur auf diese Weise ihrer eigene Unabhängigkeit und ihr hohes kulturelles Werk dar? Das werden wir so nie genau erfahren. Das Einzige, was wir heute noch immer bestaunen müssen, ist die hohe Kunst der gefertigten Tongefässe, die in Gródek am Bug oder in Ćmielów gefunden wurden. Diese Bewunderung findet sich auch in die unterschiedlichen wissenschaftlichen Theorien wieder, von denen einige mehr, die anderen weniger auf den Sensationscharakter der Funde abstellen. Interessant ist, dass die hohe Herstellungsqualität, die sich zum Beispiel im Glätten und Polieren der Innen- und Außenwände des Geschirrs zeigt, bei kleineren Ansiedlungstellen der Kultur, sogenannten Filialen, nicht beobachtet werden kann. Bedeutet dies, dass nicht alle mit der neuen Technologie vertraut waren? War die Fähigkeit zur Herstellung von "Luxuskeramik" zu den damaligen Zeiten eine Methode, Nutzen aus der Bevölkerung von großen Siedlungstellen zu ziehen? Ich denke schon.

Die menschliche Psyche hat viele Schwächen, eine davon ist der "Hunger", der natürlich allgemein mit Essen in Verbindung gebracht wird, ich gebrauche den Begriff hier im Sinne von Nutzen, die einige sicherlich aus dem Wissen über neue Techniken gezogen haben. Bestätigen dies auch die entdeckten Spuren von Kupfermetallurgie in Gródek am Bug und Ćmielów? Wurden die kupfernen Feinarbeiten am Ort durchgeführt? Wahrscheinlich schon. Es ist möglich, dass dies Spuren von örtlichen Versuchen sind, die auf Beobachtungen der Meister der tripolnischen Metallurgie beruhen oder jedoch Hinweise auf die alleinige Tätigkeit von Experten aus dem Osten sind. Sicher ist: Produkte, Rohstoffe und das Wichtigste, die Idee bzw. ein Bauplan, wanderten dank des "Handels", der Neugierde, der Entdeckungslust und dem periodischen Zusammenfinden der Menschen.

Jede "Nation" profitierte von "anderen" und übernahm ihre Errungenschaften; dies mindert in der Retrospektive nicht ihre kulturelle Leistung, schließlich verbesserte sich das technische Niveau dadurch ja nur. Die Bevölkerung der TBK pflegte mit Sicherheit ihre Traditionen, ihre Identität und das kulturelle Erbe ihrer Väter; deren Entfaltung ist heute in ihren materiellen Überbleibseln erkennbar. Fest steht, dass der "Handel" und Kontakte verschiedenster Art eine starke stimulierende Antriebskraft für die so notwendige Entwicklung in Zeiten der Unterjochung durch die Natur waren.



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